Die Überraschung konnte kaum größer sein und stieß auf große Resonanz in der internationalen Kunstszene: Kasper König, eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Kunstwelt, wurde Kurator der 10. Manifesta in St. Petersburg. Die europäische Biennale für moderne Kunst, vor zwanzig Jahren in Amsterdam gegründet, macht 2014 erstmals Station in Russland. Mit Kasper König bringt sie einen großen Kunstkenner an einen geschichts- und bildmächtigen Ort.
Sofort nach der Bekanntmachung, hat es Proteste der internationalen Kunstszene gegeben: Darf man ein Land mit zunehmender Autokratie, Menschenrechtsverletzungen und Homophobie durch eine Kunstbiennale aufwerten? Kasper König glaubt jedoch, dass die Manifesta Teil eines großen Prozesses ist, in dem die zeitgenössische Kunst und die Gesellschaft mit dem Althergebrachten in den Dialog treten können. Er hat weltbekannte Künstler wie Marlene Dumas, Katharina Fritsch und Thomas Hirschhorn eingeladen. Was Kasper König nicht ahnen konnte, sind die aktuellen politischen Entwicklungen und die Aggression Russlands in der Ukraine. Die Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen beschäf- tigt zunehmend die Künstler und die Macher der Manifesta. Die Petersburger Gruppe „Chto delat? – Was tun?“ hat die Teilnahme an der Mani- festa abgesagt. Ihre Begründung: In Zeiten der hysterischen russischen Propaganda, müsse man als Politaktivisten darauf reagieren und ein Zeichen setzen. Ihre Kollegin, die Moskauer Künstlerin Elena Kovylina, vertritt die entgegensetzte Meinung. Ihre Performance „Egalité – Gleichheit“, bekommt in der jetzigen politischen Situation einen anderen symbolischen Kontext.
Der Film begleitet Kasper König in seinem nicht einfachen Alltag in St. Petersburg. Denn die Widerstände der russischen Seite und die büro- kratischen Hürden sind erheblich. Inzwischen hat er den Eindruck, dass nur der Direktor der Eremitage Mikhail Piotrovsky die Manifesta voll unterstützt. Von ihm kommt auch der Satz: „Es ist wichtig, das Territorium der Kunst zu verteidigen.“
Die polarisierenden Positionen der Künstler stehen ebenso im Mittelpunkt des Films. Und natürlich ihre Arbeit.
– Der niederländische Künstler Erik van Lieshout hat für einen Teil seiner Arbeit den so genannten ‚Katzenkeller’ (ein Asyl für obdachlose Katzen) des ehemaligen Zarenpalastes gewählt. Die Zeichnungen aus diesem bizarren Milieu werden Teil seiner großflächigen Arbeit werden, zu der er auch einen Film gedreht hat.
– Die russischen Künstler der Gruppe Chto delat haben ihre Beteiligung zurückgezogen. Im Film erklären sie die Gründe.
– Thomas Hirschhorns Installation „Abschlag“ entsteht an einem zentralen Ort des neuen Ausstellungsgebäudes im Generalstab. Für ihn widerspiegelt seine Arbeit die Situation in Russland, vor allem ‚die Dimension und die Verrücktheit’ des Landes.
Viele wichtige Künstler wie Marlene Dumas, der ukrainische Fotograf Boris Mikhailov, Katarina Fritsch, Dominique Gonzales-Foerster u.a. reisen erst ab dem 20. Juni an, um ihre Werke zu hängen oder aufzubauen.
Credits
Der Film wurde von Wolfgang Bergmann als Auftrags- produktion des WDR in Zusammenarbeit mit ARTE. Redaktion Sabine Rollberg produziert.